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8. März Puschkino Halle: Haben wir das Genießen verlernt? Kalorien und Frauen – Ein Impuls von Dr. Nina Mackert

Genuss ist vielfältig, persönlich, aber auch politisch und kommerziell. Was das bedeutet, insbesondere für Frauen, erklärt uns die Historikerin Dr. Nina Mackert. Sie kommt am 8. März zum Internationalen Frauentag ins Puschkino Halle. Wir möchten sie vorab kurz vorstellen und starten mit drei Warm-Up-Fragen für den Impuls am kommenden Dienstag.

Dr. Nina Mackert ist Historikerin mit Schwerpunkt auf Nordamerikanischer und Transatlantischer Kultur- und Sozialgeschichte, insbesondere auf der Geschichte von Körpern und Gesundheit, Essen und Ernährung. Sie ist Wissenschaftliche Mitarbeiterin im Interdisziplinären Forschungsprojekt „Leipzig Lab – Global Health" an der Universität Leipzig. Gegenwärtig arbeitet sie an der Fertigstellung ihrer Habilitationsschrift zur Geschichte der Kalorie in den USA. Zwischen 2012 und 2019 war sie Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Nordamerikanische Geschichte der Universität Erfurt, wo sie 2012 promovierte. Sie ist Mitglied im HG-Kreis der "Body Politics" und Mitgründerin und -herausgeberin des wissenschaftlichen Blogs „Food, Fatness, Fitness – Critical Perspectives".

nutriCARD: Liebe Frau Dr. Mackert, wir sind schon sehr gespannt auf die Diskussion mit Ihnen am 8. März im Anschluss an den Film „Der Koch“, den wir im Rahmen unserer nutriCARD-Veranstaltungsreihe Lecker Kino! im Puschkino Halle präsentieren. Wie kam es, dass Sie sich als Historikerin der Geschichte von Körpern und Gesundheit, Essen und Ernährung zuwandten?

Nina Mackert: Ich war schon während meines Studiums sehr an Körper- und Geschlechtergeschichte interessiert und habe mich viel mit der Geschichte körperlicher Normen beschäftigt. Nach meiner Dissertation habe ich dann eine Zeitlang zur Geschichte von Körperfett gearbeitet, weil ich verstehen wollte, wie es zum gegenwärtigen, weit verbreiteten fat shaming kommt – nachdem Dicksein noch im 19. Jahrhundert weder besonders stark thematisiert, noch notwendigerweise zum Problem erklärt wurde. Das ist eine hochinteressante Geschichte, die zeigt, wie wandelbar die Bedeutung von Körpern in der Moderne ist.

nutriCARD: Auch in Ihren aktuellen Forschungsprojekten widmen Sie sich gemeinsam mit Kolleg:innen der globalen Gesundheit, z. B. in der inter- und transdisziplinären Forschungsgruppe „Leipzig Lab – Global Health“ und dem von Ihnen mitgegründeten Blog „Food, Fatness, Fitness – Critical Perspectives“. Der Blog adressiert die Macht, Politik und Praktiken, die von Essen ausgehen können und den Link zu Gesundheit, Gesellschaft und dem Selbstbild. Welche unterschiedlichen Ansichten dazu finden sich im Blog-Autor:innen-Team? Und was zeichnet Ihre kritische Perspektive in diesem Diskurs besonders aus?

Nina Mackert: Wir haben derzeit fast 80 Autor*innen in unserem Blog versammelt, das lässt sich unmöglich auf einen Nenner bringen. Das heißt: Eines ist den Beiträgen schon gemein, und das ist uns als Herausgeberinnen auch wichtig. Es geht uns darum, einen kritischen Blick auf gegenwärtige und historische Debatten zum Dicksein, zu Normen von Schlankheit, Fitness und Fähigkeiten zu werfen. In der Gegenwart, das heißt eigentlich schon seit dem 19. Jahrhundert, scheinen Körper Ausdruck des Selbst zu sein, davon, ob jemand zum Beispiel ein*e gute*r Bürger*in ist, sich selbst führen und die ‚richtigen’ Entscheidungen treffen kann. Unter anderem das nehmen wir kritisch unter die Lupe. Es geht aber auch um Appetit, Butter, Boris Johnson und Kochsendungen. :)

nutriCARD: Was wir produzieren, was wir kaufen und was wir essen, ist ein klares Statement nach außen. Mit Ihrer wissenschaftlichen Arbeit sind Sie täglich damit konfrontiert. Haben sich mit wachsendem Erkenntnisgewinn im Laufe Ihrer Forschungstätigkeiten in diesem Bereich auch Ihre persönlichen Ernährungsgewohnheiten verändert?

Nina Mackert: Sich den normativen Anrufungen von Ernährungsratgebern zu entziehen, ist schon sehr schwer. :) Da hilft eine historische Perspektive aber sehr, denn die wirft ein Licht auf die Kontingenz von Essens- und Körpernormen, auf deren Gewordensein und darauf, dass sie nicht zwangsläufig so sind, wie sie sind.

nutriCARD: Vielen Dank, Frau Dr. Mackert, für das Gespräch! Wir sind sehr gespannt auf die Diskussion mit Ihnen im Anschluss an „Der Koch“!

Historikerin und Mitbegründerin des Blogs „Food, Fatness, Fitness – Critical Perspectives“, Dr. Nina Mackert ©Wolff